Gemeint ist mit dem Begriff "Altweibersommer" aber kein Sommerwetter für
ältere Frauen. Der Ursprung dieser Bezeichnung führt weit in die
Vergangenheit, in die germanische Mythologie. Mit weiben wurde im
Altdeutschen das Knüpfen von Spinnweben bezeichnet.
An September-Tagen mit sonnigem Wetter kühlt es sich in den klaren
Nächten stark ab, so dass in den Morgenstunden durch den Tau die
Spinnweben deutlich zu erkennen sind. Die seltsam glänzenden Fäden
(oder "Herbstfäden") glitzern im Sonnenlicht wie lange, silbergraue
Haare. Früher glaubten die Leute, so erzählen es alte Sagen, daß alte
Weiber (damals war das noch kein Schimpfwort für alte Damen) diese
"Haare" beim Kämmen verloren hätten und daß dies das Wirken der
"Nornen", der alten Schicksalsgöttinnen, die die Lebensfäden der
Menschen spinnen, war. Alten Menschen, an denen solche Spinnfäden hängen
bleiben, sollten sie Glück bringen.
Spätere - im Christentum entstandene- Legenden wiederum wissen zu
berichten, daß die Silberfäden des Altweibersommers aus dem Mantel
Marias stammen, den sie bei ihrer Himmelfahrt trug. Im Volksmund heißen
deshalb diese Spinnfäden auch "Marienfäden", "Marienseide",
"Marienhaar" oder "Unserer Lieben Frauen Gespinnst".
Diese Spinnennetze zwischen Gräsern, Blumen, Zweigen, Büschen, an
Dachrinnen und Fensterläden, an Zäunen und Mauern entdeckt man vor allem
an den ungewöhnlich warmen und sonnigen Tage im Herbst, die man auch
"Flugsommer" oder "Frauensommer" nennt - eine Schönwetterperiode im
September.
Ob man nun an die germanischen Göttinnen glauben mag oder eher der
meteorologischen Erklärung vertraut - der Altweibersommer läßt sich auch
im Garten genießen; es ist der einzige Sommer, auf den Verlass ist.
Der Altweibersommer tritt übrigens in Amerika fast zur gleichen Zeit
auf. Er nennt sich dort "Indian Summer" und ist berühmt für die
prächtige Herbstfärbung der Laubbäume (die ja auch bei uns zu dieser
Zeit beginnt). Der Name "Indian Summer" begründet sich auf einer alte
indianische Legende, nach der das Rot der Bäume das Blut eines erlegten
Bären symbolisieren soll.
In Schweden spricht man vom "Birgitta-Sommer", in Finnland von
"ruska-aika" (Zeit der Braunfärbung); in diesen Ländern liegt der
Altweibersommer meist Anfang bis Mitte Oktober.
In Polen nennt
man dieses Phänomen "Babie Lato" (Weiber-Sommer). In den
Mittelmeerländern ist eine ähnliche späte Warmperiode, dort im November,
als "St.-Martins-Sommer" bekannt. Viele Menschen bezeichnen diese Tage
auch als die fünfte Jahreszeit. Die heiße Zeit des Sommers ist vorbei,
die Nächte oft schon recht kühl, aber der Herbst hat noch nicht so
richtig Einzug gehalten.
Von Mitte bis Ende September gibt es
fast jedes Jahr eine der schönsten und beständigsten
Hochdruckwetterlagen über Mitteleuropa. Ursache ist ein Festlandshoch
über Osteuropa, das trocken-kontinentale Luft nach Mitteleuropa
einströmen lässt. Typisch sind auch die morgendlichen Nebelfelder in den
Flußniederungen, die sich durch die noch ausreichend starke
Sonneneinstrahlung vormittags auflösen. Dieses schöne Hochdruckwetter
kann von mehreren Tagen bis Wochen dauern, ja selbst noch bis in die
ersten Oktobertage hinein.
In Wetterstatistiken ist diese Schönwetterperiode seit ca. 200 Jahren
nachweisbar und in Bauernregeln sogar seit mehreren Jahrhunderten.
Der Altweibersommer tut nicht lange gut, und steht er auch in aller Heiligen Hut. |
Der heilige Leopold ist dem Altweibersommer hold. |
Ist's zu Allerheiligen rein, tritt Altweibersommer ein. |
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